Spendenfahrt Neuss-Dover

 

Hier eine kleine „Berichterstattung“ wie es denn nun eigentlich war 700 km durch 5 Länder in 6 Tagen zu fahren.

Es war, trotz Anstrengung, einfach eine ganz tolle Erfahrung!

Ich kann nur jedem empfehlen so etwas auch einmal zu versuchen. Man muss ja nicht, wie wir, gleich über 100 km am Tag fahren.

Du siehst so vieles, das Dir im Auto komplett verborgen bleibt. Zudem wird man viel durchlässiger, was neue Eindrücke betrifft. Unterkünfte sind, wenn man etwas sucht, gut zu finden und zumeist günstig. Hostels, Pensionen und Zeltplätze gibt es überall. Man kann natürlich vorher trainieren, aber eine gewisse Grundfitness reicht aus.

 

70;- € gehen von uns jetzt an die Kinderkrebsklinik (für jeden gefahrenen Kilometer 10 Cent).Vielleicht hast Du ja auch mal etwas über! Alles hilft!

Elterninitiative Kinderkrebsklinik e.V. – Bunzlauer Weg 31 – 40627 Düsseldorf

www.kinderkrebsklinik.de

 

 

Etappe 1: Neuss (D) – Roermond (NL)

 

Wir rollen bei Nieselregen aus Neuss, 2 vollbepackte Fahrräder mit Zelt (für den Notfall) und

einem groben Fahrplan auf einem Blatt Papier. Internationale Radkarten sind schwer zu bekommen. Richtung Grevenbroich geht es vorbei am Tagebau in Garzweiler und  an den südlichen Stadtteilen von Mönchengladbach. Schön ist irgendwie anders, zweimal drängen uns hier Autos ab. Tiefpunkt: einmal verlangsamt ein tiefergelegter Opel „Proletariat“ neben uns, jemand brüllt etwas aus dem Fenster…Gelächter…quietschender-Reifen-„Alarm-für-Cobra-11“-Tribute-Start…Stille…Grillenzirpen…was war denn das? Egal, weiter!

Wir erreichen Roermond am Abend und sehen uns in einer Scheune das Weltmeisterschafts-Endspiel an, das uns den kommenden Tagen noch viele Kommentare einbringen wird (“Suuuuper gespielt!“).

 

Etappe 2:  Roermond (NL) – Lommel (B)

 

In Roermond endet unser, vorher schon spärliches vorhandenes, Kartenmaterial. Mit viel Fragen und einem Flandernführer schaffen wir es mit ordentlich Gegenwind (kann wirklich die Hölle sein) im Zick-Zack Kurs bis in die belgische Kleinstadt Lommel. In einem großen Sportcenter frage ich nach, ob es eine Pension gibt.                             Der Hausmeister ist sehr hilfsbereit, spricht aber nur niederländisch. Das spreche ich so gut wie afrikaans, nämlich gar nicht…

Aber hier fällt mir auch wieder auf, wie viel Mühe Leute sich mit einem Wildfremden geben, wenn dieser um Rat und Hilfe fragt. Mit seiner Hilfe finden wir eine kleine Pension am Stadtrand, geführt von einem Rentnerehepaar. Grossartig! Der Pensionsbesitzer erzählt mir am kommenden Morgen von einem deutschen Vater, der mit seinen Söhnen übernachtet hat. Er hatte eine Woche nur Regen auf seiner Fahrradfahrt.

Na denn…weiter geht es!

 

Etappe 3: Lommel (B) –Antwerpen (B)

 

„Wenn Du keinen Plan hast, such Dir einen Fluss“ (alte Indianerweisheit)                                                                           Da wir keine Radkarten für Belgien haben, folgen wir bis auf weiteres dem Rat unseres Pensionsbesitzers, nämlich immer am Fluss entlang. Der soll uns am Ende des Tages nach Antwerpen führen.So langsam bekommen wir auch heraus, dass Belgien ein wirklich fantastisches Radland ist. Man kann sich an sogenannten Knotenpunkten orientieren. Diese sind über das ganze Land verteilt, führen zu allen Sehenswürdigkeiten und sind sehr gut ausgeschildert. Es gibt ca. 6 Karten in denen die Knotenpunkte verzeichnet sind, damit hat man alles im Griff…ok. fahren muss man schon noch selbst. Wir werden auch ständig von Rennrad-Gruppen in einem Affentempo überholt. Die Trainingsmöglichkeiten sind hier einfach sehr gut.

Irgendwo in der Mitte des Kanals „dessen-Name-mir-gerade-nicht-einfallen-will“ halten wir an einem alten Bootshaus. Auf meine Frage, ob es ein Cafe oder einen Kiosk gibt in der Nähe, lädt uns der etwa 100jährige Verwalter auf einen belgischen Kaffee ein. Gastfreundschaft, wohin man auch schaut. Das Gespräch kommt zwar irgendwie nicht so richtig in Gang, das ist aber der Sprachbarriere geschuldet. Nach einer halben Stunde funktionieren die Beine wieder.

Weiter geht es über Turnhout (ja, das gibt es!) nach Antwerpen, das wir am Abend erreichen. Um das Hostel zu finden, schalte ich kurz vor Antwerpen das GPS ein…und das sucht dann aber auch gnadenlos die kürzeste Strecke heraus. Da geht es schon mal durch Gegenden wo ich nachts nicht mehr sooo unbedingt Zeit verbringen würde… Aber das Hostel ist gut gelegen und wir erreichen es gegen 21°° Uhr, also alles gut.

Etappe 4: Antwerpen (B) – Gent (B)

Wir rollen bei perfekten 20°° aus Antwerpen. Hier heraus zu finden ist trotz Karte nicht ganz so leicht. nach einer Irrfahrt durch ein Industriegebiet finden wir eine kostenlose Fähre, die uns auf die andere Seite der Schelde bringt. An diesem Fluss entlang geht es weiter nach Gent. Ich würde auch allgemein behaupten, dass etwa 5% der gefahrenen Kilometer sogenannte „Nee-hier-doch-nicht-komm-wir-drehen-wieder-um“- Kilometer sind, oder auch gerne die „Guck-mal-wären-wir-am-Fluss-geblieben-hätten-wir30-Minuten-gespart“-Kilometer! Das liegt daran, dass z.B. ein Schild durch einen Baum verdeckt wird oder einfach mal umgefallen ist oder plötzlich eine Baustelle auftaucht und der Radweg gesperrt ist. Das muss man einplanen und ist auch nicht schlimm, der Spaß hält sich nur nach über 100 Tages-km in Grenzen.

Eine eindrucksvolle Begegnung haben wir in einer kleinen Stadt auf dem Weg. Auf der Suche nach einer Pizzeria (alles zu) landen wir bei einem kleinen Schlachtereibetrieb. Der Besitzer hat nicht nur etwas zu essen für uns, er ist eine lokale Berühmtheit! Eine komplette Wand ist gepflastert mit Zeitungsausschnitten über ihn. Er läuft unter anderem Marathon und hat mehrere Gedichtbände herausgebracht. Der Mann besitzt eine solche positive Power-Aura, es ist nicht zu glauben. Jeder Satz wird mit einem Lachen serviert, auch der folgende (übersetzt):

„Ja klar habe ich etwas zu essen für euch, Lasagne frisch von heute Morgen. Aber glaube es oder nicht: Mir ist vor einer Minute die Hauptsicherung für den ganzen Laden rausgeflogen, unglaublich, oder?“ (extrabreites Grinsen!) „Setzt euch, ich mach das!“ Kurz: Die Lasagne war astrein und der Mann hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

 

Etwa 40 km vor Gent stehen wir in einer etwas größeren Stadt und haben den Weg komplett verloren. Da es jetzt nachmittags so um die 35°C wird, sind Umwege doch etwas anstrengend. Deshalb spreche ich eine Frau an, ob sie uns helfen kann. Sie kann leider nicht, aber: Aus voller Fahrt bremst ein junger Mann sein Hollandrad herunter und drängt uns seine Hilfe förmlich auf. Ob er uns an den nördlichen Stadtrand begleiten soll, da würde der Weg weitergehen? Ja, aber gerne doch! Auf dem Weg finde ich heraus, warum er uns unbedingt helfen wollte: Devi (so heißt er) hat 2013 halb Europa mit dem Fahrrad bereist. 6000 km durch u.a. Deutschland, Dänemark und Schweden, Griechenland, Italien, Kroatien. Er lädt uns auf eine Erfrischung ein und wir quatschen bei ihm zu Hause im Garten eine Stunde übers Radfahren und die verschiedenen Länder, die er besucht hat („Schweden war echt langweilig, immer nur Strasse, Strasse, Strasse. Kroatien: super!“). Sein 2000;- €-Trekking-Rad steht in der Garage, ich bin echt beeindruckt. Dass ich mein Raleigh-Rad gebraucht irgendwo für einen Hunni gekauft habe, kommt mir gerade etwas waghalsig vor, aber: es läuft, und darauf kommt es an. 😉                                                                              Devi bringt uns an unseren Startpunkt nach Gent, das wir 21°° Uhr erreichen.

5. Etappe: Gent (B) – Brügge (B)

Eigentlich eine kurze Etappe (60 km), aber wieder bei ca 35°C. So kommen wir dann auch schon am Nachmittag in Brügge an. Leider bleibt die Unterkunft unauffindbar. Ich rufe an und erfahre, dass sie etwa 7 km ausserhalb der Stadt liegt. Als wir dort ankommen hält sich die Lust nochmal nach Brügge hineinzufahren in Grenzen.Da die Räder für die Nacht in einem Bootshaus eingeschlossen werden, machen wir uns zu Fuß auf in das nächste Dorf, wo es angeblich die einzige Pizzeria weit und breit gibt. Nach 1 km finden wir sie dann auch. Offen ist sie auch, es ist nur erst einmal keiner da. Das Gebäude wirkt auch nicht wie eine Pizzeria, eher wie eine Mischung aus Casino und Tanzsaal. Als der Besitzer dann auftaucht (und aussieht, als wenn er mit Kundschaft irgendwie gar nicht rechnet), bringt er uns erst einmal in den Keller (!) in eine Art düstere Kneipe.                                                                                    Auf meine Frage, ob wir nicht oben essen könnten, kommt die Antwort:“Yes, of course! Or maybe you want to sit outside?“ Hm-da-muss-ich-mal-etwas-drüber-nachdenken-ja!

Es folgt ein etwas merkwürdiges Geschäftsmodell: Die Pizza, die absolut fantastisch ist, essen wir an einem eilig hingestellten Tisch in einem vollgemüllten Hinterhof. In Deutschland wäre ich höchstwahrscheinlich gegangen. Hier finde ich es eigentlich nicht so schlimm. Aber jetzt weiß ich zumindest, warum der Laden leer ist….

 

6. Eappe: Brügge (B) – Calais (F)….na ja, fast!

Schlaf war wegen völlig überhitzter Zimmer übersichtlich in dieser Nacht. Mit Blick auf die letzte Karte sehen wir, dass wir heute über Oostende und De Panne Belgien verlassen werden. Irgendwo zwischen dem 3. Kaffee und der ersten Rast beschließen wir bis Calais durchzufahren. Was wir noch nicht wissen: Der Ritt endet 160 km weiter in Nordfrankreich um 23°° Uhr auf dem platten Land, mitten in einem Gewitter…                                                                 Bis dahin wird es aber erst einmal heiß. Das Thermometer klettert an diesem Tag bis auf 38,5° C, gemessen kurz hinter Oostende! Wenn man alle 45-60 Minuten eine Pause macht und vor allem trinkt, trinkt, trinkt, ist es aber zu schaffen. Oostende ist wie Mallorca, Riesenstrände, kilometerlange Promenaden und voll mit Menschen. Radfahren ist überall erlaubt. Nach knapp 80 km erreichen wir die französische Grenze. Ab hier wird es wirklich schwierig. Ohne Kartenmaterial fährt man grosse, direkte Verbindungen wie die routes nationales, das sind die mautfreien Strassen mit dem „N“ am Anfang, alle ohne Radweg! Die Franzosen fahren ohnehin, ich sag mal „sportlich“. Ein paar Mal zischen Autos im Zentimeterabstand und über 100 km/h schnell an uns vorbei. Da kriegt man Angst. Wir fahren nur die absolut notwendigen Kilometer dort und freuen uns als es etwas ländlicher wird.

Leider erwischt uns ca. 20 km vor Calais  das Gewitter. Auf dem platten Lande möchte man wegen Blitzeinschlägen nicht unbedingt der höchste Punkt in der Landschaft sein.

Was machen?                                                                                                                                                                                      Weiterfahren? Unmöglich wegen des viel zu starken Gegenwindes.                                                                                   Zelten? Hahaha, sehr schön…Nein!

Über das Navi versuche ich ein Hotel zu finden, finde eines auf der Strecke, die wir bereits hinter uns haben. Mit Rückenwind und nach 10 km in die Gegenrichtung stehen wir, mittlerweile im beginnenden Regen, in einem Örtchen in dem es nichts gibt…auch kein Hotel. Aber eine Kneipe, die so gerade eben noch offen ist. Der Wirt reagiert auf meine Nachfrage nach einem Hotel in der Nähe gelangweilt und in Zeitlupe. O.k. in Belgien hätte schon jemand sein Privathaus angeboten aber in Vive- la- France ticken die Uhren wohl anders. Ich soll warten, sagt er. Der Regen wird schlimmer und schließlich, nach 10 Minuten und mit 2 Telefonnummern in der Hand kommt der Wirt wieder und bucht uns ein Zimmer im 10 km entfernten Gravelines. Mittlerweile stürmt es richtig und der Wirt macht seinen Laden zu. Das Hotel erreichen wir patschnass im Dunkeln….was für eine Fahrt.

6.Etappe: Gravelines (F) – Margate (GB)

Es ist unglaublich, aber die 160 km vom Vortag mit der Panikfahrt durch das Gewitter sind so gut wie vergessen, denn: Das Ende ist absehbar! Bei Tag und Sonnenschein ist Nordfrankreich sehr schön und wir erreichen die Fähre schon gegen Mittag. In Dover geht es entlang der Küste erst einmal hoch auf die berühmten „white cliffs“. Der Aufstieg ist wirklich anstrengend, zudem gilt es sich auf den Linksverkehr einzustellen, aber oben angekommen ist die Aussicht wirklich spektakulär! Nach weiteren 60 km erreichen wir am Abend Margate, unser Endziel.

Neuss - Dover 2014 171

Danke fürs Lesen und bis bald!

Udo