– Ein anderer Drummer und wie sich das auf die Musik auswirkt –
v.l.n.r. Stephan Sagurna, yours truly, Markus Bender auf „Bockert rockt“ in Viersen im Mai 2024
Unser Drummer Jan ist derzeit für 2 Monate auf einem Kreuzfahrtschiff engagiert. Die Seychellen, Kanada, New York und eine Atlantiküberfahrt stehen auf dem Programm. Eine sehr schöne Reise. Mich stellte es vor die Aufgabe a) einen passenden Schlagzeuger zu finden, der Zeit und Lust hat als Aushilfe einzuspringen, und ihn b) auch einzuarbeiten.
Das ist etwas schwieriger als es sich zunächst anhört, da wir ja keine Covermusik spielen. Bei bekannten Songs ist es ja der Sinn des Ganzen, dass das Publikum die Songs, die die Band so spielt, erkennt und zum Beispiel dazu tanzt. Und so kennt man als Musikerin und Musiker auch in den allermeisten Fällen den zu spielenden Song schon, z.B. aus dem Radio.
Aber ich bin Singer/Songwriter und laufe (noch) nicht im Radio.
Vorteil: Alle Songs, die wir live spielen, sind auch im Studio aufgenommen und veröffentlicht und somit auch dokumentiert. Zudem gibt es von jedem Song Noten, oder zumindest ein Sheet.
Aber mal abgesehen von bestimmten Fähigkeiten, die jeder und jede im professionellen Musikbereich haben sollte (wie Zuverlässigkeit, funktionierendes Equipment, Kenntnis des Songmaterials) möchte ich 3 Beispiele nennen von bestimmten Fähigkeiten und Eigenschaften, die mir bei einem Musiker wichtig sind.
1) Das Wesen des Songs erkennen.
Was heisst das? Jeder Song hat einen Kern, auf dessen Basis er erzählt wird. Da ich Musik und Text selber schreibe, hängen sie für mich auch zusammen. Diesen Kern müssen wir bei jeder Performance treffen. Da wir stilistisch sehr breit spielen, muss ein Aushilfsdrummer mit Stilen wie beispielsweise Country, Reggae, Swing etwas anfangen können, und kreativ sein. Wichtig ist für mich zudem die Wahl des richtigen Tempos. Zu langsam eingezählt fällt der Song eventuell auseinander, hat keine Energie mehr, oder ich bekomme nicht den richtigen „Erzählrhythmus“ beim Singen hin. Das hört sich nach Esoterik an, ist für den Performer aber sehr nah. Oder ganz simpel: Ist der Song zu langsam, die Gesangslage aber sehr hoch, sterbe ich bei hohen Tönen, die ich dann einfach länger halten muss. Oder wenn der Song nach vorne treiben muss (z.B. unser Song „Driving“), der Drummer aber „laid back“ spielt, spielen wir eventuell gegeneinander, bis einer nachgibt („…bis einer heult“). Schlimmer geht es dann eigentlich kaum noch. Denn Musik wird immer miteinander gemacht.
2) Ein Instrument ist kein Selbstzweck.
Ich nehme gerade im Internet viele Musiker wahr (komischerweise seltener Musikerinnen) die auf dem Instrument sportliche Höchstleistungen vollbringen. Mit Musik hat das für mich dann in den allermeisten Fällen nichts mehr zu tun. Wenn ich mit dem, was ich auf meinem Instrument mache, nicht mehr am Song bin, sondern versuche möglichst viele schnelle Noten in kurzer Zeit zu spielen, bin ich als Hörer (und als Bandleader) raus. Was ich spiele, muss dem Song dienen.
3) Das Trio ist eine Klasse für sich
Und zwar speziell das Gitarrentrio. Der Grund ist die fehlende Fläche, da es kein Keyboard gibt, das Orgel oder Streicher spielen könnte. Diese füllen enorm und sorgen für Soundvielfalt. Im Gitarrentrio ist jedes Instrument ein „Attack“- Instrument mit kurzer Ausklingzeit. Man könnte jetzt sagen, dass es ja für Gitarristen doch den Verzerrer gibt, der den Ton verlängert. Das stimmt, aber er limitiert auch auch den Klang enorm, weil er eben immer nach Verzerrer, also relativ gleich klingt. Zudem sind Akkorde mit dissonanten Intervallen (Terz, Sexte, Septime) immer schwierig, weil sie schnell „matschen“. Den Verzerrer sollte man zudem nur musikalisch sinnvoll einsetzen, sonst wird es auch sehr schnell sehr einseitig und somit langweilig. Ich nutze zu dem Zweck Stereochorus, getimte Delays und weite Akkord-Voicings, oftmals ohne Grundton, denn dafür ist ja Markus (Bass) da.
Im Trio habe ich auch gelernt zuzuhören, was in der Songstruktur fehlt, zu registrieren wo die Lücken im Bandklang sind, und sie zu füllen. Ein Gefühl für Arrangements und Kompositionen zu haben, hilft enorm. Aber Vorsicht: Es tuen sich jede Menge Lücken auf, und es kommt auch auf den musikalischen Geschmack und die Erfahrung an, ob sie zu füllen sind. Deshalb ist die absolut wichtigste Eigenschaft: Zuhören zu können! Und daraus folgt: Reagieren zu können.
Wir lassen bei bestimmten Songs oftmals einen Part einfach vom Arrangement her frei. Wir wissen zwar welche Akkorde hier stehen und wie lang sie theoretisch sind, aber ob wir da heute einen Reggae spielen oder ein Basssolo, ob ich scatte oder wir einfach nur athmospärisch vor uns hin grooven, das wird erst spontan aus dem Augenblick heraus entschieden, wenn der Part anfängt. Das sollte der Sub (Aushifsmusiker) mitbekommen, und das geht ohne die Fähigkeit zur Kommunikation einfach nicht. Dann entsteht manchmal ein musikalisch absolut magischer Moment. Das ist nicht prob-bar, das entsteht spontan oder gar nicht, aber es gehört zu den schönsten Konzertmomenten. I live for that!
Und es gilt (jetzt kriege ich endlich den Bogen zur Überschrift…), auch andersherum: Ein anderer Musiker wird zwangsläufig anders spielen, eine leicht andere Herangehensweise zu einem Song mitbringen, Fills anders spielen oder weglassen. Eine Hihat geht nicht an der gewohnten Stelle auf, eine Chorstimme kommt anders (beide Drummer singen auch), die Breaks klingen völlig anders. Der eine hat einen Progrock Hintergrund, der andere kommt eher von der Popmusik. Der eine hat einen geschlossenen, der andere einen offenen Drumsound. All das wird immer die Musik beeinflussen und, wenn man es zulassen kann, die Musik bereichern. Und jetzt ist es an mir das in die Musik hineinzulassen und nicht auf Kleinigkeiten und Gewohntem zu bestehen, und somit meinerseits unerwartete Magie zu ermöglichen.
Wir hatten Glück. Mit Stephan Sagurna hatten wir einen Drummer, der all diese Eigenschaften mitbringt, und so waren auch die Konzerte große Klasse.